Der Doktorwagen

Der Erstbesitzer passte nicht nur auf Menschen auf, sondern offensichtlich auch auf sein Auto: Seine weiteste Reise legte der Buick Super 8, Baujahr 1951, im Container zurück, nämlich von Kanada nach Österreich. Möge er für immer vor einer Restaurierung verschont bleiben.

Von Martin Strubreiter        Fotos: Andreas Riedmann

Normalerweise ist der Florida-Tourist von Wehmut geprägt, wenn er ans bevorstehende Urlaubsende denkt. Als Franz Gross vor vier Jahren mit Frau und Tochter in Florida urlaubte, stellte sich allerdings eine recht exotische Gefühlslage ein: „Ich hab gehofft, dass der Florida-Urlaub möglichst schnell vergeht.“ Diese originelle Erklärung verlangt natürlich nach Präzisierung, Erklärung und Ausschmückung, und in deren Zentrum steht ein Buick Super 8, Baujahr 1951.

Er steht aber nicht nur dort, sondern stand auch in Kanada, und jederzeit hätte ihn wer wegkaufen können. Also war schnelle Anreise gefragt, ohne den Familienurlaub emotional zu zerkratzen, wobei Familie Gross gegen Kanada prinzipiell nichts einzuwenden hat: Sonja und Franz Gross haben dort 2002 geheiratet, Franz’ Onkel wohnt schon länger dort, und seine Eltern weilten auch schon ein paar Wochen beim Onkel. Bei einem Telefonat hatte Franz’ Vater von einem Buick erzählt, der zu haben wäre. Super Eight, Baujahr 1951. Erste Hand, unrestauriert, rostfrei. Natürlich gäb’s hinreißende Patina in allerlei Spielarten, es war gerade die Zeit, als die Besser-als-neu-Restaurierungen deutlich an Glanz verloren und sich das Authentische langsam ins Bewusstsein der Oldtimerfans schlich: Original ist ein Auto nur einmal. Restaurieren kann man es unglaublich oft.

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Franz Gross, muss man wissen, hat schon lang ein weites Herz für US-Cars, und zum Glück hat er auch eine weite Halle. Als die doch nicht mehr weit genug war, zog er ein ausgetüfteltes Regalsystem ein, seither kann er die Autos in zwei Etagen lagern: Was fährt, steht unten. Damit steht zwar oben, was manchmal nach unten bröselt oder ölt, so streng darf man das aber nicht sehen.

Franz Gross sah aber während des Telefonates, was jetzt zu tun wäre, und praktischerweise stand der Buick auch beim Nachbarn des Onkels, einem Arzt; mittlerweile ein alter Herr, der im Laufe seines langen Lebens etliche Buicks besessen hatte – die meisten davon gingen wieder, nur der erste war geblieben, seit der Auslieferung 1951.

Nachbar heißt in jener dünn besiedelten Gegend Kanadas „ungefähr eineinhalb Autostunden entfernt2, aber auch die vergingen, und dann lief dank kindlicher Mithilfe alles von selbst: Franz Gross’ Tochter erinnerte den Arzt an jene Zeit, als seine eigene Tochter noch ein Kind und der Buick jung waren, die Freude am schwarzen Oldtimer fand auf Anhieb Halt, man darf sich die Szene gerne als harmonischen Besuch bei neuen Freunden vorstellen, und erstaunlich schnell war der Buick-Besitzer mit sich selbst und den Gästen einig: Er müsse zwar nicht verkaufen, merkte er an, aber er könnte es sich jetzt vorstellen. Jede andere Entscheidung hätte sowieso zu einem Mittelklasse-Drama geführt, denn Magdalena Gross hatte für das Auto längst einen Namen gefunden: Boogie-Woogie. Die offizielle Taufe auf diesen Namen überstand der Buick ein paar Tage später insofern unbeschadet, als Familie Gross den Sekt lieber trank, statt die Flasche am Blech bersten zu lassen.

Die Überstellung zum Haus des Onkels wollte der Verkäufer übrigens selbst erledigen, als Abschiedsfahrt nach gemeinsamen Jahrzehnten, bevor er das Auto an den Zweitbesitzer übergab.

Die Serie 50 fand erstmals 1930 bis 1935 ins Buick-Modellprogramm, als gutbürgerliche Mittelklasse im Design jener Tage. 1940 kam die nächste Generation, und der Zweite Weltkrieg brachte nur insofern eine Zäsur, als die Produktionszahlen drastisch abnahmen, zumindest für US-Verhältnisse: Eine Viertelmillion Autos von 1940 bis Kriegsende, dann kamen bis Herbst 1952 noch 1.170.204 Exemplare dazu. Die dritte Serie währte von 1949 bis 1953, der Buick dieser Seiten stammt aus der Mitte der Bauzeit. Der Super stand auf General Motors’ C-Chassis, Basis der Full-Size-Cars von 1936 bis 1996, und unterschied sich vom teureren Roadmaster durch drei statt vier Venti-Ports je Vorderkotflügel. Die dienten anfangs dem Luftdurchsatz, wurden dann zum Designelement degradiert, was ihrer Beliebtheit keinen Abbruch tat. Schließlich waren sie auch bei ihrer Erfindung nutzlos: Buick-Stylingchef Ned Nickles versah seinen 1948er-Roadmaster mit vier Bohrungen je Vorderkotflügel, setzte eine Leuchte in jedes davon und verkabelte sie mit dem Zündverteiler: Jeder Zündfunke ein Lichtblitz an der Wagenflanke, es war wie bei den Kampfjets. Buick-Chef Harlow Curtice verpflanzte die Idee in die Serienfertigung, ließ aber die Lichtspiele weg.

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Die Typisierung in Österreich verlief dann unerwartet schwierig. Zwar war das Auto im tadellosen Zustand, aber der war chancenlos gegen die Tücken des Papierkrams: Der Buick stammt aus kanadischer Produktion, der TÜV aber hatte das Register der GM-Fahrgestellnummern aus US- Produktion angebohrt. Zwar weiß jeder halbwegs beschlagene Oltimerfan, dass dieses Auto kein 1963er-Plymouth ist, aber Franz Gross musste ein paar handfeste Beweise beibringen, um die Realität auf Papier zu meißeln. Seither begeistert der Buick mit seiner raren Patina: Das Auto ist mit unglaublicher Würde gealtert, wirkt gepflegt, zeigt aber fröhlich die Spuren der Jahre und lässt sie Geschichten erzählen, denen man gerne zuhört. Da ist zum Beispiel die entlackte Stelle am Beifahrer-Fensterrahmen. Die Frau Doktor war oft dabei bei den Ausfahrten, und sie dürfte ihren Arm gerne aufgestützt haben wie später die Mantafahrer in den gleichnamigen Witzen. Da sind auch die durchpolierten Stellen an exponierten Rundungen, quasi zu Tode gestreichelte Lackschichten. Es gibt dezente Auflösungserscheinungen an manchen Sitzpartien und Türdichtungen und dieses weise Schimmern des Lacks, der halt jetzt auch keine zwanzig mehr ist.

Franz Gross hat den Buick sofort unter Denkmalschutz gestellt und ihn hie und da rausgeholt im Sommer. Jede Fahrt zur Arbeit ein kleiner Urlaub, der Reihenachtzylinder ist sowieso eine Wucht seidigen Rundlaufs, das Fahrgefühl ist genauso sanft und schaukelig, wie man es von einem alten Ami erwartet, der Geruch nach altem Blech, Öl und Polstern sollte eigentlich als Raumspray zu haben sein, da gibt’s noch Marktlücken.

Eigentlich ist Franz Gross Computertechniker, aber das Privatinteresse hat ihn gut zurückgeholt in die Kohlenstoffwelt, mittlerweile auch beruflich: Schon seit Jahren hat seine Freude am Aufstöbern rarer Autos nebenbei einen kleinen Oldtimerhandel etabliert, wie es halt so ist, wenn das Suchen noch mehr Freude bereitet als das Besitzen. So hat er vor ein paar Monaten auch den Buick in gute Hände weitergereicht, er wohnt jetzt in Oberösterreich, dort, wo noch vor wenigen Monaten ein alter Porsche stand. Der neue Besitzer hat versprochen, den Originalzustand der Ewigkeit entgegenzupflegen, die Preisverhandlung soll schnell absolviert gewesen sein.

Franz Gross hat kürzlich übrigens die IT-Laufbahn aufgegeben. Die neue Firma, in der er maßgeblich mitarbeitet, heist CCC Automobil GmbH (www.ccc-auto.at), vertreibt am Rennweg 64 in Wien Coupés, Cabrios und Klassiker (auch in Kommission), es gibt Stellplätze und ein gutes Netzwerk von Kontakten und Partnerfirmen, und bald soll überhaupt ein Club drumherum ranken.

Kürzlich war er auch in den USA und in Frankreich.
Autokauf, natürlich, diesmal dienstlich.

Daten Buick Super Eight

  • Bauzeit  1949 bis 1953 (3. Generation)
  • Motor Achtzylinder-Reihenmotor, seitliche Ventile. 4266 ccm, 92 kW (124 PS), 298 Nm. Dreigang-Auto-matik, Hinterrad-antrieb.
  • Fahrwerk Vorne Einzelradaufhängung, Schraubenfedern. Hinten Starrachse, Schraubenfedern. 4 Trommelbremsen.
  • Dimensionen 6 Sitze, Länge/Breite 5182/2032 mm,  Radstand 3086 mm, Gewicht 1699 kg.
  • Fahrleistungen Spitze 136 km/h, 0 bis 100 in 18,7 sec, Verbrauch ca. 16 l/100 km.